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Thorsten Zimmer

Fernunterricht und Wechselunterricht


[Lade hier den Gesamttext als PDF_Aktualisiertes_Dokument_02.07.2020]

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1. Grundsätzliches: Deutschunterricht nicht "neu erfinden"

  • Der Deutschunterricht muss sich in digitalen Lernumgebungen nicht grundsätzlich „neu erfinden“. Auf allen Zugriffsebenen erweist sich die lerner- und kompetenzorientierte Didaktik als tragfähiger Ausgangspunkt zur Etablierung eines Unterrichts, der digitale und analoge Lernumgebungen verbindet oder zeitweise auch ausschließlich in digitalen Umgebungen arbeitet.
  • Dennoch benötigen Fern- und Wechselunterricht einiger grundsätzlicher konzeptioneller Überlegungen und müssen als Situationen des E-Learning oder des Blended-Learning angenommen und verstanden werden. Arbeitszeiten, Motivation, Ausdauer der Schülerinnen und Schüler sowie die spezifischen Arbeits- und Interaktionsformen müssen bei diesen Konzepten berücksichtigt werden. Selbst eine optimale technische Ausstattung in Schule und Elternhaus würde eine direkte Abbildung des ununterbrochenen Vor-Ort-Unterrichts in den digitalen Lernräumen oder durch videogestützte Unterrichtsformen nicht ohne Weiteres ermöglichen.
  • Die Zugriffsebenen zur Beschreibung des Unterrichts und der Unterrichtskonzepte bleiben mit den bisherigen identisch. Die folgenden Überlegungen orientieren sich an bisher Gängigem und blicken auf die didaktischen Grundlagen, die Gestaltung des Lehr-Lernprozesses, die Materialien, die Aufgaben, die Moderation sowie die Diagnose und Rückmeldung.
  • Die Fernunterricht-Situation impliziert große pädagogische, soziale und technische Herausforderungen, die sehr ernst zu nehmen und wichtig sind. Sie sind in den folgenden Thesen mitgedacht, sind aber als solche nicht ausdrücklich Gegenstand der Überlegungen.
  • Die Arbeitsorganisation und die Arbeitsformen im Fern- und Wechselunterricht unterscheiden sich auch für die Schülerinnen und Schüler sehr von denen des permanenten Präsenzunterrichts. Wenn möglich sollten vor den entsprechenden Unterrichtsphasen ein - zur Klassenstufe passendes - Methodentraining zu einzelnen Aspekten durchgeführt werden.

In einem Methodentraining könnte Folgendes geübt und thematisiert werden:

Organisatorische Fragen und Kompetenzen:

  • Ich richte mir einen Arbeitsplatz ein (Hilfsfragen: Wo arbeite ich? Wo lege ich die unbearbeiteten Materialien ab? Wo lege ich die bearbeiteten Materialien ab? Wer druckt mir wann die digitalen Materialien aus? Wann benötige ich PC/ Tablet, wann „reicht“ das Smartphone?)
  • Ich organisiere meine Arbeitszeiten (Hilfsfragen: Wann und wie bekomme ich die Arbeitsaufträge? Wie arbeite ich mit einem Wochenplan/ Halbwochenplan? Wie gehe ich damit um, wenn Arbeitsaufträge offenbar zu viel Zeit beanspruchen?)
  • Ich lasse mich beraten (Hilfsfragen: Welche Möglichkeiten bieten die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer zur Kontaktaufnahme an? Wen kann ich bei grundsätzlichen Fragen ansprechen? In welchen Situationen und wie häufig soll/ kann ich nachfragen?)
  • Ich bilde Lern- und Arbeitsgemeinschaften (Hilfsragen: Mit wem habe ich ohnehin eine gute Kommunikationsmöglichkeit? Bei wem habe ich das Gefühl, dass wir uns bei Fragen und Problemen gut ergänzen bzw. gut miteinander arbeiten können?)

Technische Fragen und Kompetenzen:

  • Welche technischen Möglichkeiten stehen mir zu Hause zur Verfügung? Wo benötige ich grundsätzliche Unterstützung bei der technischen Ausstattung (Hardware und Software)?
  • Wie rufe ich Mails ab und drucke Materialien aus?
  • Wie logge ich mich in die schulspezifischen Plattformen und Programme ein?
  • Welche Programme und Anwendung muss ich mir besorgen bzw. herunterladen?
  • Wie wende ich die schulspezifischen Plattformen und Programme an? Z. B.: Wie arbeite ich mit Moodle? Wie kommuniziere ich in der Schul-Cloud? Wie nehme ich an einer Video-Konferenz teil?
  • An wen wende ich mich bei technischen Problemen?

 

2. Zur Fachdidaktik: Elementarisierung als Grundlage - Deduktives Arbeiten manchmal sinnvoll

  • Grundlage der Unterrichtsgestaltung bildet auch in Situationen des Home-Schooling sowie in Wechselformen zwischen Präsenz- und Heimunterricht die Kompetenz- und Lernerorientierung, wie sie in den gängigen Dokumenten – vor allem den Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss – grundgelegt und beschrieben ist.
  • Auch digitaler oder gemischter Unterricht folgt dem hermeneutisch-diskursiven Prinzip: Ausgehend von individuellen Erstzugriffen wird die Auseinandersetzung mit Lerngegenständen durch Materialbegegnungen und regelmäßigen Austausch schrittweise ausdifferenziert. 
  • Aus vielerlei Gründen – auch aus pragmatischen Gründen im Blick auf die Arbeitsbelastung der Schülerinnen und Schüler wie auch der Lehrerinnen und Lehrer – müssen die Inhalte des Unterrichts elementarisiert Hierbei wird sich um eine quantitative Reduzierung bei Beibehaltung möglichst vieler relevanter Kompetenzen und Kompetenzniveaus bemüht.

 Elementarisierung konkretisiert sich folgendermaßen:

    • Zwar werden möglichst alle relevanten Teilkompetenzen eingeführt und geübt und alle Niveaustufen durchlaufen.
    • Dabei wird aber Exemplarisches an wenigen ausgewählten Beispielen bearbeitet (z. B. wird ein bestimmter Analyseschritt nur an einer Textstelle eines literarischen Textes durchgeführt, nur eine der Nebenfiguren in einem erzählenden Text charakterisiert, nur in einem Abschnitt eines argumentierenden Textes auf die Struktur geblickt, nur an wenigen Sätzen auf die grammatischen oder stilistischen Eigenheiten geblickt, nur ein Teil eines „Aufsatzes“ geplant, geschrieben und überarbeitet …)
    • Die Auswahl des reduzierten Materials muss dabei sehr bewusst und professionell erfolgen: Das Material muss in einem Höchstmaß beispielhaft für die zu erarbeitende/ übende Teilkompetenz sein.
    • Das Elementarisieren braucht eine eigene Bereitschaft seitens der Lehrerin und des Lehrers und die Erfahrung, dass der entsprechende Kompetenzaufbau funktioniert.
  • Didaktische und inhaltliche Reduzierungen und Elementarisierungen erfolgen auf der Grundlage der Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss und vor allem aufgrund der schulinternen Arbeitspläne. Eine schul- oder klassenstufeninterne Absprache ist sinnvoll und wesentlich brauchbarer als ein grundsätzliches Zusammenstreichen der Kompetenzen. Vielleicht kann der hier vorgestellte Entwurf aber als Gesprächsgrundlage und als Orientierungsrahmen bei entsprechenden Überlegungen fungieren. Die einzelnen Teilkompetenzen könnten konkretisiert und ein Stoffverteilungsplan könnte angeschlossen werden.
  • Weiterhin problematisch und herausfordernd sind die schwierigere Moderation einer progressiven Mäeutik sowie das schwierigere Durchführen von Diskursen. Gerade in diesen Bereichen der „personalen Unterrichtssteuerung“ unterscheiden sich Präsenzunterricht und digitale Unterrichtsformen sehr. Interaktive und diskursive Möglichkeiten des digitalen Lernens müssen gesucht und geprüft werden. Teilweise müssen die Defizite anderweitig kompensiert werden. 
  • Digitaler Unterricht kann nicht in allen Phasen konsequent induktiv angelegt sein. Deduktive und instruktive Arbeitsphasen unterstützen das individuelle Lernen, verhelfen zur Diagnose und zur Progression und kompensieren damit teilweise die fehlende Präsenz der moderierenden Lehrerin bzw. des Lehrers. 
  • Umfassende Online-Unterrichtsphasen fördern Recherche-, Lese- und Schreibkompetenzen vielfältig, da die Schülerinnen und Schüler ja – auch in den anderen Fächern - in einem hohen Maß Texte rezipieren und selbst verfassen. Entsprechende Synergien können fächerübergreifend genutzt werden.

 

3. Zum Lehr-Lernprozess: Hermeneutisch-diskursives Lernen im "Halbwochenplan"

  • Der Lehr-Lernprozess bleibt – wie beschrieben – grundsätzlich hermeneutisch-diskursiv angelegt.
  • Der Lehr-Lernprozess folgt den Progressionsschritten

1) Ankommen
2) Entdecken der Fragestellung und Entwickeln von Hypothesen
3) Arbeit am Material und Erstellen von Lernprodukten
4) Präsentation/ Verhandlung der Lernprodukte
5) Rückbezug zur Fragestellung, Sicherung der Ergebnisse
6) Transfer

 

  • Die Zeiträume, die den einzelnen Schritten zugewiesen werden, berücksichtigen die Arbeitsgeschwindigkeit und die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler. Es ist anzustreben, dass alle Schülerinnen und Schüler erkennbar (z.B. an einem Zwischenprodukt) den jeweiligen Schritt geleistet haben, bevor der nächste Schritt begonnen wird.
  • Die Arbeitszeiträume sind großzügiger zu bemessen als im Präsenzunterricht. Grundsätzlich ist eine umfassende Orientierung an individuellen Arbeitsgeschwindigkeiten möglich und sinnvoll. Es kann schwer sein, das Arbeitstempo angemessen einzuschätzen, wenn man die Schülerinnen und Schüler vor allem aus dem Präsenzunterricht kennt. Hier ist es wichtig, ganz bewusst und gründlich zu antizipieren und um Rückmeldung zur Arbeitsbelastung bzw. zu den Arbeitszeiten zu bitten. Hinweis: Damit zu planen, dass Schülerinnen und Schüler sich am häuslichen Schreibtisch 45min lang auf die intensive Arbeit im Fach einlassen, ist unrealistisch und unnötig. Grundsätzlich ist es sinnvoll und ergiebig, mit umfassenderen Arbeitszeiträumen zu planen. Vor allem die Arbeit mit Wochenplänen oder „Halb-Wochenplänen“, an denen ein Aufgabenschritt zwischen Montag und Mittwoch, der nächste zwischen Donnerstag und Folge-Montag zu bearbeiten ist, ist empfehlenswert.

    Achtung: Jüngere Schülerinnen und Schüler benötigen eine Anleitung, wie mit dem Wochenplan oder dem Halbwochenplan umzugehen ist. Evtl. brauchen Sie genauere Hinweise, welcher Arbeitsschritt wann erledigt werden soll. Sie tendieren zu dem Gedanken, es sei ein Zeichen von Zuverlässigkeit, wenn alle Schritte am ersten Tag der Arbeitsphase erledigt.


  • Die Möglichkeit, individuelle Arbeitsgeschwindigkeiten zuzulassen, ist groß. Kollektive Arbeitsphasen und gegenseitige Rückmeldesituationen machen ein einigermaßen homogenes Fortschreiten aber notwendig.
  • Die Prozessfolge, die mit dem Wechsel zwischen kommuniziertem Arbeitsauftrag, erwarteter Aufgaben-Abgabe und – teils individueller, teils kollektiver - Rückmeldung arbeitet, ist adäquat. Share-Points, Schul-Clouds und andere Arbeitsplattformen eignen sich hierfür gut. Auch die E-Mail-Kommunikation ermöglicht diese Vorgehensweise völlig angemessen. Darüber hinaus könne Chat-Gespräche, Forumsdiskussionen, der Einsatz interaktiver Plattformen (z.b. Moodle) eine gute Ergänzung darstellen.

 

4. Material und Medien: reduziert - eingebettet - teilweise bearbeitet

  • Die Art des Materials muss sich nicht von derjenigen des Präsenzunterrichts unterscheiden: Vor allem Ganzschriften und Einzeltexte werden zum literarischen oder sachlichen Lerngegenstand und/ oder liefern Informationen. Wenn möglich ist die Arbeit mit vorhandenem Material - etwa im Schulbuch – vorzuziehen. Weitere Materialien werden direkt oder digital zur Verfügung gestellt bzw. werden von den Schülerinnen und Schülern selbst recherchiert.
  • Medial aufbereitete Materialien, die im Internet zur Verfügung stehen, können gut genutzt werden: Filmtrailer, Auszüge aus Theaterinszenierungen und Interviews sind Beispiele hierfür. Natürlich werden urheberrechtliche Grundsätze beachtet.

    Achtung: Der Materialumfang wird im Vergleich zum Präsenzunterricht erkennbar reduziert! Elementarisierungen sind notwendig.

  • Materialien können genutzt werden, um Unterrichtsprogressionen auch deduktiv zu unterstützen. Progressionsschritte können durch das Material angeregt oder sogar vorgegeben werden (z.B. können „halbgute“ Musterlösungen zu einer anspruchsvollen Aufgabe angeboten werden, die geprüft und überarbeitet werden sollen, anstatt dass die anspruchsvolle Aufgabe komplett selbst gelöst werden soll.)
  • Arbeitsblätter, die als Material zur Steuerung des Unterrichts eingesetzt werden, orientieren sich ebenfalls an den Gepflogenheiten und den Grundsätzen der Arbeitsblattgestaltung des Präsenzunterrichts. Es kann notwendig sein, dass Arbeitsblätter ihre Einbettung in Lernlinien und Lernprozesse etwas intensiver abbilden müssen, als dies im Präsenzunterricht der Fall ist. Eine mündliche erklärende Einleitung oder Hinweise zur Anbindung der Aufgaben an das vorher Besprochene sind ja kaum möglich. Einleitende kurze Texte, die wiederum nicht zu ausführlich sind, Kleinschrittigere Aufgabengestaltungen, die z.B. auch mit einer ersten Anbindungsaufgabe beginnen, und kurze Kommentare und Erklärungen zu den Inhalten und den Umfängen des zu Bearbeitenden sind sehr hilfreich.
  • Ein exemplarisches Ausfüllen und Andenken erster Arbeitsschritte bzw. die Formulierung erster Beispielantworten auf dem Arbeitsblatt ist in allen Klassenstufen - auch in der Sekundarstufe 2 - empfehlenswert.
  • Arbeitsblätter können mit der Formularfunktion des Textverarbeitungsprogramms als Lückentexte und Ausfüllformulare gestaltet werden. Hierbei können Umfangsvorgaben gesteuert werden. Außerdem reduziert die Arbeit an Formularen die Notwendigkeit, Arbeitsblätter auszudrucken. Andererseits setzt das Ausfüllen voraus, dass ein PC als Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

 

5. Die Aufgaben: gestuft - offen - unterstützend

  • Auch der Online-Unterricht unterscheidet zwischen Diagnose-, Lern- und Übungsaufgaben. Das Aufgabenformat ergibt sich aus der jeweiligen Phase im Lehr-Lernprozess.
  • Lernaufgaben korrespondieren inhaltlich und formal mit dem Material und den eingesetzten Medien.
  • Lernaufgaben leiten eine gestufte Arbeit an, steuern möglichst die Erarbeitung materiell greifbarer Produkte und nutzen klar definierte, von den Schülerinnen und Schüler nachvollziehbare Operatoren.
  • Wie im Präsenzunterricht können Lernaufgaben verschiedene Grade an Offenheit und Geschlossenheit aufweisen. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass auch offene Aufgabenstellungen möglich sind. Allzu formal orientierte und enge Aufgaben werden den didaktischen Ansprüchen des Deutschunterrichts nicht immer gerecht.
  • Lernaufgaben gehen ausdrücklich gestuft vor und erleichtern schwächeren Schülerinnen und Schülern dabei die schrittweise Erarbeitung.
  • Vorgemachte Beispiele, begonnene Antwortsätze und kleine Hilfestellungen („Achte besonders auf …“, „Nutze z.B. die Begriffe …“) unterstützen die Schülerinnen und Schüler.
  • Lernaufgaben steuern die Einbettung des Materials und der Arbeitsschritte in den Lernprozess, indem ...

    • ... den Aufgaben kurze einleitende Texte vorangestellt werden ("Ihr habt im letzen Arbeitsschritt geklärt, wie ... Nun soll es darum gehen, dass ...")
    • ... die erste Aufgabe als Anbindungsaufgabe gestaltet wird ("Blicke noch einmal auf deine Ergebnisse aus dem letzen Arbeitsschritt. Notiere, welche der Positionen dir am plausibelsten scheint .../ Notiere die zwei Textstellen, die den Charakterzug deiner Meinung nach am intensivsten vermitteln ...")
    • ... Aufgaben kleinschrittiger gestaltet werden ("Gehe dazu folgendermaßen vor: ...")
    • ... kurze Hinweise zur Lösung der Aufgaben ("Nutze unter anderem die Begriffe XX und YY"/ "Gehe zunächst auf die ... ein.") und zu den erwarteten Umfängen der Antworten formuliert werden.


  • Diagnoseaufgaben können ebenso als offene Aufgaben wie als geschlossene Aufgaben gestaltet werden. Digitale Testformate – etwa in Form der „Hot-Potatoe-Aufgaben“ – sind möglich. Private Online-Förderangebote und Zusatzangebote der Schulbuchverlage sind in der Regel geeignet, um formale – also auf Wissen und Anwendung – blickende Fähigkeiten zu diagnostizieren.
  • Viele - vor allem formal ausgerichtete - Übe-Situationen können durch die Arbeit mit Aufgaben auf Lernplattformen unterstützt werden.

 


6. Die Moderation: Foren und Chats ersetzen den moderierten Diskurs (nur) teilweise

  • Eine "echte" Moderation, die gleichsam das Herz des hermeneutisch-diskursiven Unterrichts darstellt, kann nur ansatzweise digital simuliert werden. Dennoch muss nicht gänzlich auf Diskursivität und mäeutische Unterrichtsgespräche verzichtet werden.
  • Forumsdiskussionen können online durchgeführt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Zahl der Teilnehmer an einem Diskussionsthread nicht zu groß ist. Gegebenenfalls wird in mehreren Threads - gleichsam als arbeitsgleiche Gruppenarbeit - an denselben Thesen gearbeitet.
  • Je nach Alter und Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler können Forumsdiskussionen – als gleichsam verlangsamte und verschriftlichte Simulation einer mündlichen Diskussion – genutzt werden, um Bündelungen und Moderationsschritte zu üben (z.B. notiert die/ der Lehrer/in nach einem Thread: „An dieser Stelle wäre eine Bündelung der bisherigen Argumente hilfreich. Bitte erst weiter diskutieren, nachdem jemand diese Bündelung vorgenommen hat.)
  • Chat-Diskussionen in größeren Gruppen zu einem anspruchsvollen Thema können schwierig sein. Die eigene Schreibgeschwindigkeit und die Fülle an formulierten Gedanken machen es manchmal sehr schwer, dem Gesprächsverlauf zu folgen. Verhandlungen in Foren und Blogs sind hier unproblematischer. Zeitvorgaben (z. B. „Jeder postet mindestens zwei Gesprächsbeiträge bis Dienstagabend um 18.00 Uhr.“) sind sinnvoll und hilfreich.
  • Echtzeit-Videodiskussionen sind möglich, brauchen aber klare Regeln. Je nach Gruppengröße muss sehr intensiv auf Gesprächsdisziplin und Gesprächsreihenfolgen geachtet werden. Es ist empfehlenswert, dass nicht-sprechende Teilnehmer ihre Mikrofone ausschalten.

 

7. Die Diagnose und Rückmeldung im Lernraum: Praktikables Maß zwischen individueller und kollektiver Rückmeldung

  • Wie beschrieben steueren Material und Aufgaben das Erstellen materiell greifbarer Arbeits- und Lernprodukte.
  • Es muss mit einem praktikablen Maß an kollektiver (z.B. durch Musterlösungen und exemplarische Fehlerkorrektur) und individueller Rückmeldung gearbeitet werden.  Der Zeitaufwand für die Lehrerin und den Lehrer müssen dabei in einem vernünftigen Verhältnis zur Notwendigkeit und zum Umfang der individuellen Beratung führen! Der Anspruch einer permamenten individuellen Rückmeldung kann in den meisten Fällen kaum Aufrecht erhalten werden!
  • Diagnostische Rückmeldungen und Hilfsangebote können sporadisch individuell geleistet werden. Lernprodukte und Aufgabenbeantwortungen können begutachtet und kommentiert werden. Die Rückmeldung erfolgt knapp schriftlich. Wo dies erforderlich ist, kann grundsätzlich auch telefonisch rückgemeldet und beraten werden.
  • Es hat sich bewährt, dass ausgewählte Produkte als Musterlösungen bzw. als Hinweis auf bestimmte Entwicklungsfelder kommuniziert werden. Hier muss unbedingt darauf geachtet werden, dass einzelne Schülerinnen und Schüler dabei nicht bloßgestellt oder dass ihre Arbeiten – auf der anderen Seite – nicht zu häufig als mustergültig dargestellt werden. Über eine Anonymisierung der Produkte, die als Lösungsvorschlag angeboten werden, ist nachzudenken.
  • Schüler-Schüler-Rückmeldungen sind grundsätzlich auch möglich. Die Zusammenarbeit kann per Mail oder auf Lernplattformen erfolgen.
  • Lern-, Übe- und Diagnoseplattformen im Internet arbeiten durchaus professionell und hilfreich. Rechtesituationen, Sicherheitsfragen und der vermeintlich kommerzielle Hintergrund der Angebote müssen dabei kritisch in den Blick genommen werden.

 


8. Mixed-Unterricht: Vorteile beider Formen kombinieren

  • Der Mixed-Unterricht macht sich die grundsätzlichen und die situations- und lerngruppenspzifischen Vor- und Nachteil der jeweiligen Unterrichtsform zunächst ausdrücklich bewusst und nutzt diese zur weiteren Planung.
  • Dass Präsenzzeiten genutzt werden sollten, um anspruchsvolle Lernschritte zu gehen, komplexe Diskurse zu führen und individuelle Unterstützungsangebote zu machen, liegt auf der Hand. Ebenso bietet es sich andererseits an, dass Home-Unterrichtsphasen für rezeptive, vorbereitende und übende Phasen genutzt werden. Das unten vorgestellte Modell hilft vielleicht ein wenig bei der Ausgestaltung der Phasenschritte.
  •  Hilfsfragen in der Vorbereitung des Mix-Unterrichts können sein:
  1. Welche Lernschritte muss ich im Präsenzunterricht anleiten, welche Lernschritte lassen sich eventuell auch im digitalen Lernen steuern?
  2. Zu welchen Themen sollten anspruchsvolle Diskurse geführt werden
  3. Welche Materialien können sinnvollerweise eingesetzt werden? Welche dieser Materialien sollten mindestens und auf jeden Fall bearbeitet werden? Welche können als zusätzliches Übungsmaterial eingesetzt werden?
  4. Zu welchen Arbeitsschritten kann es sinnvoll und wichtig sein, intensivere Diagnosen zu den individuellen Arbeitsständen durchzuführen?
  • Es ist nicht ratsam, zwei verschiedene Unterrichtsreihen zu steuern und – zum Beispiel – in den Homephasen an Grammatikthemen, in den Präsenzphasen an einer Lektüre arbeiten zu lassen.
  • Die Home-Phasen im Unterrichtsmix können nach anderen Grundsätzen gestaltet werden als in der kompletten Home-Schooling-Situation. Hier hilft die Perspektive, dass sie eher im Sinne einer umfassenderen Hausaufgabe, die im Halbwochenplan oder im Wochenplan bearbeitet werden kann, angelegt sein können. Auch hier ist auf eine ganz bewusste Mengenreduzierung zu achten!
  • Eine Arbeit mit diskursiven und interaktiven Methoden innerhalb der Home-Phasen kann durchaus anhand entsprechender medialer Möglichkeit durchgeführt werden. Dies ist eine methodische Möglichkeit und keineswegs immer eine Notwendigkeit.
  • Die Gestaltung eines sinnvollen Lern-Unterrichts in der Wechselform ist schwierig und von zahlreichen situativen Faktoren abhängig. Das hier vorgestellte Modell kann eine Grundlage der Planung darstellen, muss sicherlich aber immer wieder modifiziert werden.                            

                                                                                                                   

  • Der Präsenzunterricht orientiert sich methodisch - so gut es geht und nach Maßgabe der aktuellen Situation – an den lernerorientierten Konzepten eines hermeneutisch-diskursiven Unterrichts. Diskurse zur Hypothesenpräzisierung, zur Abklärung sinnvoller Arbeitsaufträge und Arbeitsschritte, zur Verhandlung von Ergebnissen und zur vertieften Auseinandersetzung mit Arbeitsergebnissen sind ohne weiteres möglich. Hierbei können sowohl Lehrer-Schüler-Diskurse als Diskurse zwischen Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden.
  • Kontaktbeschränkungen führen zwangsläufig dazu, dass es im Klassenraum nicht zu Partner- oder Gruppenarbeiten kommen kann. Schülerpräsentationen finden alleine vom Sitzplatz der Schülerin und des Schülers aus statt.
     
    1. Im Präsenzunterricht erarbeitete, analoge Lernprodukte werden nicht durch die präsentierende Schülerin bzw. den präsentierenden Schüler nach vorn gebracht. Alternative Möglichkeiten der Ergebnispräsentation bestehen darin, dass …
    2. … die Lehrerin oder der Lehrer als Schreiber fungiert: Sie/ er sitzt selbst am Projektor bzw. an der Dokumentenkamera und lässt sich die Ergebnisse auf das dort liegende Arbeitsblatt diktieren.
    3. … Arbeitsergebnisse durch die Lehrerin oder den Lehrer an der Tafel notiert werden
    4. … Produkte während der Stunde erstellt und danach an die Lehrerin und den Lehrer gemailt werden, sodass sie für die Folgestunde zur Präsentation vorbereitet werden können.
    5. … Produkte abfotografiert und direkt an die Lehrerin bzw. den Lehrer gemailt werden, der sie dann anhand seines Tablets oder Handys projiziert.


9. Technisches: Zunächst zeitaufwändig, dann aber lohnend!

  • Alle Arbeitsblätter und Aufgaben können unspektakulär per Mail oder auf Schulservern zur Verfügung gestellt werden.
  • Austausche können per Mail, vor allem aber auch in Schulclouds oder Chat-Räumen erfolgen.

  • Auch in die Werkzeugkiste von HOT POTATOES lohnt sich ein Blick. Hier lassen sich einfache Testformate wie Kreuzworträtsel, Ankreuz- und Zuordnungsaufgaben erstellen. Die Aufgaben lassen sich direkt in das Moodle (siehe unten) einfügen.
  • Achtung: Die vorausgehenden Thesen implizieren, dass Sicherheits- und Rechtehinweisen für die Arbeit im Internet bedacht und beachtet werden!



10. Lernplattformen und Lernprogrammen: Moodle lohnt sich!

  • Das Pädagogische Landesinstitut stellt den Schulen in Rheinland-Pfalz einen eigenen Bereich der Lernplattform Moodle zur Verfügung. Es handelt sich um eine höchst professionelle Plattform mit einer Fülle an Möglichkeiten der interaktiven Kursgestaltung, die weit über den bloßen Austausch von Dateien hinausgeht. Ein Blick in das Moodle lohnt sich absolut.
  • Lernmaterialien - vor allem Lernvideos - stellt das Pädagogische Landesinstitut auch im Rahmen des OMEGA-Projektes zur Verfügung. Hier sind zahlreiche Lernfilme zu den verschiedensten Unterrichtsthemen abgelegt. Auch hierher lohnt sich der Blick.

 

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